Die Welt mit Kinderaugen sehen

Einmal in der Woche bekommen wir Besuch von unserem Enkelsohn. Er ist etwas mehr als 2 Jahre alt und sobald er unser Haus betritt, ist es, als ob die pure Lebensfreude eintritt und jede Kleinigkeit zum Abenteuer wird.

Die Puppe Mimi wird gleich geholt und nimmt sofort ihren Platz ein, ob beim Essen oder Spielen. Der Weg zum Spielplatz ist für mich allein ein Weg von zwei Minuten, aber mit dem kleinen Buben wird es ein Ausflug. Er achtet auf das, was er sieht, er bemerkt den Wind oder die Sonne, hört die Geräusche und schenkt all dem seine Aufmerksamkeit. Wenn die Kirchenglocken läuten, bewegt sich sein ganzer Körper hin und her und er ruft laut aus: “Bim Bam“, bis die Glockenschläge, leider zu schnell, wieder enden.

Es macht mir als Großmutter große Freude, ihn einfach zu beobachten und an allen seinen Sinneseindrücken teil zu haben. Die Wirkung auf mich ist entschleunigend, alles andere wird unwichtig.

Wenn ein Blatt auf dem Weg liegt, ruft er laut aus: „Oooooooh“. Da gehört es für ihn nicht hin, er hebt es auf und legt es zurück auf den Strauch.

Jede Woche lernt der kleine Bub neue Wörter auszusprechen, die Farben zu benennen oder entwickelt seine Fähigkeiten beim Duplo spielen. Selbst wenn er mal stolpert und hinfällt, ruft er nur aus: „Ooooopppala“, dann wartet der kleine Schlingl kurz, ob die Omi ihn wieder aufhebt oder ob er sich selber aufrappeln soll.

Auch wir haben einmal so gelernt, Schritt für Schritt, „Fall für Fall“ – sind wieder aufgestanden und haben weiter gemacht. Ist es nicht herrlich zu wissen, dass auch wir umsorgt wurden, wir uns sicher und geliebt fühlten?

Die Welt mit Kinderaugen zu sehen ist auch eine Chance, das eigene Kind in sich wieder zu entdecken und die Welt mit seinen Wundern und seiner Schönheit zu sehen.

Betrachte heute deine Welt, als ob du sie das erste Mal siehst.

Herzlichst, deine Kerstin Rauchlechner