Geburtskultur
In meinem letzten Blogbeitrag habe ich mich mit der Endlichkeit des Lebens und dem Tod beschäftigt.
Die Polarität dazu ist die Geburt.
Tod und Geburt betreffen ausnahmslos jeden Menschen. Die Bedingungen während der Schwangerschaft und die Geburt prägen unser Leben sehr entscheidend.
Die Geburtskultur ist die Art und Weise, wie der Start ins Leben einer Gesellschaft gestaltet wird.
Sobald wir Frauen bei dem Thema ankommen, erzählt jede gerne von ihren Erfahrungen und Gefühlen, aber auch von ihren Ängsten und Erlebnissen.
Ich habe ein sehr interessantes Interview von Anke Dür gehört, die sowohl Hebamme als auch Architektin ist.
Sie macht sich Gedanken, wie ein Gebärraum aussehen sollte, der wie ein Schutzraum für die Frauen wirkt, um sich entspannen zu können und es ermöglicht, der Geburt ihren natürlichen Raum zu geben – wie der Grundriss aussehen sollte, die Materialien und die Gestaltung dieses Raumes.
Fr. Dür sieht ihre Arbeit als Hebamme als Begleiterin, und sie gibt den Menschen Werkzeuge, um während des Geburtsprozesses aktiv sein zu können. Sie ermuntert, auch Riten zu leben, die die Betroffenen ermächtigen, über sich hinaus zu wachsen. Sich bewusst zu sein, ich werde gerade Mutter oder Vater, das ist ja ein sehr erhebendes Erlebnis.
Es ist nicht die Aufgabe der Gebärenden, im Kopf zu sein, sondern sich im Vertrauen auf das einzulassen, was gerade geschieht.
Paare spüren auch, wenn begleitende Fachpersonen zu sehr in Kontrolle sind.
Fr. Dür spricht mir aus der Seele. Sie sagt, wie wichtig es ist, im Herz und im Bauch zu sein, im Vertrauen und mit wachen Sinnen während dieses Geburtsprozesses, um es zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.
Sie hat ein Buch zu diesem Thema geschrieben: „Geburtskultur, vom Gebären und Geboren werden“ erhältlich vom Löcker Verlag.
In meiner kinesiologischen Praxis unterstütze ich schwangere Frauen, sich wohl und kraftvoll zu fühlen und sich auf die Geburt mental vorzubereiten.
Wäre es nicht wunderbar,
- wenn sich werdende Mütter immer sicher und geborgen fühlten
- wenn das Urvertrauen der Frauen gestärkt würde
- wenn sie sich fallen lassen und die Verantwortung abgeben könnten
- wenn sie weder die Geräusche der anderen Frauen während deren Geburtsprozess hörten, noch sich ihres eigenen Vorgangs schämen müssten
- wenn die Schwangerschaft kraftvoll und natürlich ablaufen würde
- wenn die Frauen über ihren Körper bestimmen könnten
- wenn der Hausverstand angewandt würde
- wenn das Vertrauen zwischen allen Beteiligten spürbar wäre
- wenn Rituale gelebt würden
- wenn Bedürfnisse ernst genommen würden
- wenn ihnen die Zeit gegeben werden könnte, die sie brauchen, Geburten zu sehen wie das, was sie sind:
Ein Wunder
Ich freue mich über deine Gedanken oder Erfahrungen zu diesem Thema,
deine Kerstin Rauchlechner
Liebe Kerstin!
Leider gab es dieses Denken vor 60 Jahren noch nicht.
Was sicher gleichblieb: die Freude an dem Neugeborenen, da vergass man das lieblose Drumherum.
Schön das jetzt anders gedacht wird.
Es hat sich in den letzten Jahrzehnten in dem Bereich Gottseidank einiges getan, aber auf jeden Fall noch nicht genug.
In Deutschland wird es den Hebammen in den letzten Jahren sogar sehr schwer gemacht, indem die Haftpflichtversicherung so hoch wurde, dass sich ihre Arbeit finanziell kaum noch lohnt.
Was wären Geburten ohne genügend Hebammen oder gar keinen mehr?!
Undenkbar!!!
Also, da ist noch sehr viel Luft nach oben….
Liebe Kerstin!
Ich hatte leider nie das Glück eine Geburt zu erleben, aber alles was du schreibst berührt etwas in mir und ich kann dem nur voll zustimmen! Und es wäre wunderbar, wenn sich diese Herangehensweisen in unserer sehr kommerziell, materiell und pragmatisch orientierten Gesellschaft durchsetzen könnte …